Il Borgo di Grottaglie
Die Töpferscheibe dreht sich, die Hände sind voller Lehm, die Öfen qualmen. Grottaglie ist der Ort der Kunstkeramik, in geschmeidigen Formen und strahlenden Farben. Die Töpferei in Grottaglie ist nicht nur eine Kunst, sondern die Identität eines Volkes, das aus einem erhaltenen Geschenk gekonnt etwas Ertragreiches zu schaffen wusste.
Aus Erde und Lehm wurden die ersten Häuser gebaut, aber auch die ersten täglichen Gebrauchsgegenstände, sie erzählen somit eine Geschichte, die Jahrhunderte durchquert hat und unaufhaltsam in unserer Zeit angekommen ist. Durch das farbige Steingut wirkt die Mutterkirche einzigartig und lebhaft. Auf den Balkonen sind schöne Laternen zu sehen, die auch die Straßen schmücken und die Sicht erhellen.
Der Ort liegt auf Karstgestein, auf Grotten, die einst zu Häusern für die erste Bevölkerung wurden, für die, die vor den Sarazenen flüchteten, für Räuber, die einen Unterschlupf brauchten. Die Klüfte bieten ein einzigartiges Schauspiel, ohne Eintritt zu verlangen, sie hoffen nur, bewundert und manchmal angehört zu werden, wenn das sanfte Rauschen des Wassers zu hören ist, das in Riggio die Regeln der Karstfelsen bricht und zu einem rebellischen Wasserfall wird. Grottaglie ist das blühende Leben, das aus der Töpferscheibe stammt und sich auf das Lächeln der Menschen niederlässt.
Grottaglie ist Liebe für das, was man ist und für das, was man macht.
Geschichte
Grottaglie befindet sich am äußersten Zipfel der apulischen “Murge”, in einem Gebiet voller Klüfte, sprich Karstgrotten, die vom Regen ausgehöhlt wurden. Für die vorgeschichtlichen Menschen, die dieses Gebiet seit der Altsteinzeit bewohnten, waren diese Klüfte ein bequemer Unterschlupf, mit ausreichend Wasser und Nahrung für ihre Tiere.
Als die Sarazenen Süditalien angriffen, flohen viele und zogen sich in die Grotten dieses Gebietes zurück, woraus sich schon bald ein bewohnter Ort bildete. Mit der Ankunft der Römer wurden Kanäle und Aquädukte gebaut, die der Gemeinschaft erheblichen Nutzen brachten. Danach haben der Fall des römischen Reiches und die darauffolgenden barbarischen Überfälle Grottaglie in eine wirtschaftlich und sozial schwierige Zeit gestürzt.
Das Mittelalter zeichnet den Beginn einer leichten Erholung für den Ort, die laut eines historischen Dokumentes einem Ereignis um das XI. Jahrhundert zuzuschreiben sei. In diesem Zeitraum hätten die Normannen das Lehnsgut Cryptalearum und all seine Güter der erzbischöflichen Mensa in Taranto überlassen, wodurch sie einen weiten wirtschaftlichen Kreis einleiteten. Erst im Nachhinein wurde festgestellt, dass das Schriftstück, das diese Schenkung bescheinigte, vermutlich eine Fälschung war.
Während der Bourbonen-Herrschaft erlebte Grottaglie keine glücklichen Jahre. Machtkämpfe zwischen Bischöfen und konfessionslosen Feudalherren führten schließlich zur Abschaffung der Feudalherrschaft.
Während der Jahre des „Risorgimento“ war dieser Ort vom Raubrittertum gekennzeichnet, das durch die Grotten, die den Räubern wunderbar Unterschlupf boten, noch begünstigt wurde. Hierdurch wurde in Grottaglie eine erste städtische Ausdehnung außerhalb der Ringmauer gefördert.
Mit der Einheit Italiens wird das gewaltige historische Gut Grottaglies zerstört: die Ringmauer, ein Teil des Schlosses, Wappen und Balkone bedeutender Paläste, selbst die Mutterkirche wurde einschneidend umgebaut, was wichtige Verzierungen zerstört hat. In diesen Jahren gleicht das Schicksal dieses Ortes dem der anderen, umliegenden Ortschaften, gepeinigt von alltäglichen Problemen wie Arbeitslosigkeit, furchtbaren hygienischen Bedingungen und Bildungsmangel. Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts hat Grottaglie in den beiden Weltkriegen eine hohe Opferzahl zu beklagen. Erst in den Nachkriegsjahren des 2. Weltkrieges bewegt sich die Stadt in Richtung Stabilität und wirtschaftliche Sicherheit.
Grottaglie hat es geschafft, den Hebel umzulegen, und hat sich dank der wichtigsten, eigenen wirtschaftlichen Tätigkeiten wieder erhoben. Seit einigen Jahren ist zusätzlich zur Landwirtschaft, zum Anbau erlesener Trauben und zur Töpferei auch der Tourismus hinzugekommen: dank dieser Lebhaftigkeit, kann Grottaglie mit Stolz von sich behaupten, einer der bevölkerungsreichsten und aktivsten Orte der Region zu sein.
Das Bischofs-Schloss
Das Schloss von Grottaglie stellt heute noch die Macht dar, die die Bischöfe von Tarent auf die Stadt ausgeübt haben. Es gibt keine genauen Kenntnisse über das Baujahr, doch wir wissen mit Gewissheit, dass der ursprüngliche Kern bereits im XV. Jahrhundert bestand. Zu diesem ursprünglichen Bau gehört der Turm “Torre Maestra” im Inneren des Schlosses, der 28m hoch ist und aus 4 unabhängigen Stockwerken besteht, mit Bischofssitz und interner Loggia.
Die alten Ställe werden nicht mehr als solche benutzt, sie haben sich dem Reiz der traditionellen Kultur hingegeben und beherbergen heute das Keramik-Museum. Auch deswegen wird das Schloss zweimal im Jahr zum Schauplatz zweier bedeutender Ausstellungen: die der Keramik sowie die der Krippe, und hebt dadurch das Vermächtnis lokaler, handwerklicher Meisterwerke, die die Stadt besitzt, heraus.
Das Schloss, mit seinen mit Zinnen versehenen Mauern, wurde im Gegensatz zu anderen Festungen nicht als Verteidigungssitz erbaut, sondern als Adelswohnsitz, vermutlich auf Wunsch des Erzbischofs Giacomo dell’Atri. Nichts desto trotz wurde es im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut und wurde außen auch durch barocke Verzierungen verschönert.
Die Stiftskirche der Heiligen Mariä-Verkündigung
Der Erzbischof Giacomo d’Atri war der Auftraggeber der wichtigsten historischen Gebäude in Grottaglie, dazu rechnen wir auch die Stiftskirche der Heiligen Mariä-Verkündigung, die allen schlichtweg als Mutterkirche bekannt ist. Sie wurde 1372 in spät-romanischem Stil erbaut. Die Kuppel überragt das Äußere und lässt es lebhaft wirken, dank der verwendeten, mehrfarbigen Kacheln, die ein geometrisches Muster zeichnen.
Die Fassade ist von der Geradlinigkeit der Formen und Elemente gekennzeichnet, eine Leitlinie, die nur von der großen mittigen Rosette und dem Tor unterbrochen wird, das von einem Blumen- und Fruchtfeston geschmückt ist.
Die Schlichtheit setzt sich im Inneren der Kirche fort, die auf prunkvolle Ausschmückungen verzichtet, um wenige und bedeutende Elemente zu betonen, wie z. B. das Hochrelief der Verkündigung Mariä und die Kapelle des Heiligen Ciro, mit einem Gemälde, das die Rosenkranz-Madonna darstellt, ein Werk, das dem italienischen Maler De Matteis zugesprochen wird.
Das Keramik-Museum
Grottaglie hat sein Glück vor allem der Keramik und deren Produktion zu verdanken: eine Tätigkeit, die im Laufe der Jahrhunderte zur treibenden Wirtschaftskraft dieses Ortes wurde.
Grottaglie war schon seit der Aufklärung für die Produktion von Töpfen, Schalen, Andachtsgegenständen und vor allem Capasoni bekannt, sprich große Amphoren, die für den Transport von Öl und Wein geeignet waren. Im Jahr 1700 gab es in Grottaglie schon 42 Keramik-Fabriken, gut erkennbar an den hohen, ständig rauchenden Kaminen.
Heute ist Grottaglie stolz auf diese alte Tradition, das Keramik-Viertel ist zum Touristenziel geworden, wo man noch heute die Keramik-Meister in ihren eigenen Töpfereien am Werk sehen kann. Schlendert man durch die historischen Gässchen, macht das Haus „Casa Vestita“ auf sich aufmerksam und weckt unsere Neugier, ein Ort, an dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint, und doch vor Leben und Leidenschaft übersprudelt. In diesem Haus organisiert Mimmo jedes Jahr eine Ausstellung seiner wertvollsten Keramikwaren, die er zusammen mit seinem Bruder Carmelo in ihrer Werkstatt in der Via Santa Sofia fertigt. Mimmo und Carmelo sind unzertrennlich und schaffen dadurch wahre Meisterwerke.
Carmelo formt den Lehm auf der Töpferscheibe und Mimmo veredelt ihn mit einzigartigen Verzierungen. Die Brüder Vestita sind ein Beispiel für diese Region, die versucht, ihr Erbe aufzuwerten und hervorzuheben, indem eine Tätigkeit weitergeführt wird, deren Rezept heute auf drei Zutaten basiert, die weise miteinander vermischt werden: Ausdauer, Tradition und Innovation.
Von der Keramik zu erzählen, bedeutet in Grottaglie über die eigene Identität zu sprechen, deswegen haben die Ställe des Bischofs-Schlosses auch ihre Tore für das Keramik-Museum geöffnet. Das Museum erzählt die Geschichte dieser Kunst von der Vorgeschichte bis zur zeitgenössischen Keramik: einzigartige und originelle Werke, Puppen mit Schnurrbart und Krüge, die Geheimnisse bewahren, Kacheln aber auch einfache, alltägliche Gegenstände sind die fantastischen Erzähler eines Ortes und seiner Geschichte.
Die Riggio-Kluft
Das Klatschen des Wassers ist ein sanfter Klang, den wir hören, wenn es regnet oder wenn wir im Winter am Ufer innehalten und der Stimme der Wellen lauschen, fernab vom lauten „Geschwätz“, das der Sommer mit sich fortträgt. In einer Region wie Apulien kann sich niemand vorstellen, das Rauschen des Wassers zu hören, das von Karstfelsen hinunterbraust und einen Wasserfall bildet, den einzigen Wasserfall dieser Region: die Kluft von Riggio.
In diese kleine Ecke der Welt gelangt nur jemand, der sehens- und wissensdurstig ist: es ist nicht leicht hinzukommen und ohne eine Führung würde man sich leicht verirren.
Die Karstfelsen der Klüfte saugen das Wasser auf und leiten es in die Mäander der Erde, Riggio wollte hier jedoch eine Ausnahme machen und schenkte Grottaglie einen wahrlich bezaubernden Ort, wo die Natur und Artenvielfalt mit dem Werk des Menschen Eins geworden sind.
So haben in der Tat die ersten Menschen in diesen Grotten ein Felsendorf gebaut, samt Friedhof und Kultusplätzen, deren Fresken heute noch zu erkennen sind. Die Kluft von Riggio ist wirklich ein einzigartiger Ort, um ihn nicht zu verpassen, reicht es, sich mit gutem Willen in der Nähe von Grottaglie in das umliegende Land aufzumachen. Ein Tipp, damit es kein mühsames Unterfangen wird: die Trekking-Schuhe nicht vergessen!
“Donna baffuta sempre piaciuta” – „Frau mit Schnurrbart, hat schon immer Reiz gehabt“
Zieht man in Grottaglie zwischen den Keramik-Werkstätten umher, trifft man unweigerlich auf eine seltsame Figur, die eine Frau darstellt, in eleganten Kleidern aus dem 18. Jahrhundert, allerdings mit Schnurrbart. Diese schnurrbärtige Frau („donna baffuta“) wird mit einer Legende aus Grottaglie in Verbindung gebracht.
Die mittelalterliche Praktik des Ius primae noctis sprach dem Feudalherren das Recht zu, mit den Frauen des Ortes ihre erste Hochzeitsnacht zu verbringen; es handelte sich in Wirklichkeit um eine historische Falschannahme, wie sich zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert herausstellte, doch die schlauen Herrscher des Ortes nahmen zu dieser Zeit diese Praktik wieder für sich auf. So spielt die Geschichte, die wir euch erzählen, tatsächlich im 18.
Jahrhundert, als ein Winzer aus Martina Franca ein Mädchen aus Grottaglie heiratete, die verpflichtet war, ihre erste Nacht als Ehefrau mit dem Grundherren des Ortes zu verbringen. Ihr Ehemann war selbstredend absolut dagegen und, um die Ehre seiner Frau zu retten, entschied er, sich elegant als Frau zu verkleiden, vergaß jedoch, seinen Schnurrbart abzurasieren. Als er im Palast ankam, war es für den Feudalherren nicht schwierig, den Schwindel zu erkennen und in einem Wutausbruch ordnete er an, den Winzer zu töten. Nachdem sein erster Zorn etwas verflogen war, musste er herzhaft lachen.
Als er dann noch erfuhr, dass der Mann ein Weinbauer war, sagte er ihm, er könne am Leben bleiben, wenn er seine gesamte Weinproduktion in den Palast bringen würde, und zwar in Amphoren, die ihn darstellen sollten, wie er am besagten Abend aussah. Der Mann streifte durch die Straßen des Ortes und klopfte an alle Werkstätten, mit der Bitte, Amphoren herzustellen, die seine Gesichtszüge darstellen sollten.
Das ganze Dorf arbeitete für den Winzer, der es schaffte, seinen Wein in siebenhundert Amphoren abzufüllen. Heute gehören diese schnurrbärtigen Puppen zu den wichtigsten Keramik-Objekten, die in Grottaglie nur von den besten Töpfern hergestellt werden. Man findet sie in den Keramik-Werkstätten, die heute noch im Ort vorhanden sind und oft sieht man auch Varianten davon, wie z. B. die der Amazonen.
Angelo Spagnulo
Angelo Spagnulo war ein Karabiniere, man könnte sagen, ein normaler Angehöriger der Streitkräfte, wie viele andere auch. Doch er war nicht nur einer von vielen. Angelo Spagnulo wird heute als Held unserer Zeit bezeichnet. Am Abend des 26. September 2005 war er 25 Jahre alt, und er wird für immer so jung bleiben; er war ein Soldat, eben ein Karabiniere, der in Verbania seinen Dienst leistete, doch wegen einer Verletzung am Bein krankgeschrieben war und entschieden hatte, für die Genesungszeit in seine Heimatstadt zurückzukehren.
An dem Abend fuhr er mit seiner Schwester nach Monteiasi, in der Nähe von Tarent, wo seine Cousins eine Bar an einer Tankstelle betrieben. Es war kurz nach 22 Uhr, als drei maskierte Diebe in die Bar stürmten und die Tageseinnahmen verlangten. Die Antwort, sie seien schon weggebracht worden, akzeptierten sie nicht und begannen, wie besessen nach dem Safe zu suchen.
Einer von ihnen sprang über den Tresen und richtete seine Waffe auf Angelos Cousine, woraufhin dieser trotz seines Gipses aufsprang, um den Täter abzulenken, der ihn jedoch mit mehreren Kopfschüssen niederstreckte.
Jegliche Wiederbelebungsversuche und der sofortige Transport ins Krankenhaus waren vergeblich: Angelo Spagnulo ist nach 40stündigem Todeskampf verstorben. Dafür, dass er eine junge Frau außer Dienst verteidigt hat, unbewaffnet und teilweise eingeschränkt (wegen des Gipses), wurde Angelo Spagnulo die Ehrenmedaille zugesprochen und im Jahr 2010 wurde ihm zu Ehren die Kaserne der Karabinieri in Tarent Nord nach ihm benannt.
Annibale Arces
Annibale Arces wurde 1912 in Grottaglie geboren. Schon als Kind bewies er großes Zeichen-Talent und deswegen entschied er, die Kunstschule zu besuchen.
Sein zeichnerisches Werk dreht sich um tote Natur, Landschaften und einige Porträts als Tafel- oder Ölbilder. 1934 begann er seine Karriere als Bühnenbildner, zunächst in einem Filmstudio-Komplex, wo er mit den wichtigsten Regisseuren seiner Zeit arbeitete und nach dem Zweiten Weltkrieg, 1946, zog er nach Buenos Aires, wo er für die großen Theater der argentinischen Hauptstadt arbeitete.
1956 zog er sich nach Grottaglie zurück, wo er weiter zeichnete und das Familienunternehmen weiter leitete. 1986 hat ihn die Italienische Akademie mit dem „Premio Italia“ ausgezeichnet und 1989 erhielt er vom zeitgenössischen Kunstinstitut in Mailand den Preis „Giorgio Vasari“. In seiner Geburtsstadt hat er mit der Gründung der Malschule Grottaglie einen großen Beitrag geleistet. 1994 ist er in Grottaglie gestorben.
“Lu cappuccio sittutu” – das „sitzende Weißkraut“
Dieses typische Gericht aus Grottaglie wird vor allem in der Fastenzeit zubereitet, wenn die Gläubigen oft auf so manche Leckereien oder auch auf Fleisch verzichten.
Zutaten:
- Ein mittlerer Weißkohl
- Drei Esslöffel Olivenöl
- Drei Knoblauchzehen
- ein Dutzend Wintertomaten
- Etwas geriebener Schafskäse
Zubereitung:
Das Kraut putzen, waschen und in einem Topf in Salzwasser kochen. In einem Tontopf das Öl erhitzen und den Knoblauch darin anbraten, danach die geschälten Tomaten hinzufügen. Nach und nach etwas von dem Kochwasser dazugeben und bei leichter Flamme köcheln lassen, bis eine Soße entsteht. Sobald das Kraut gekocht ist, gibt man auch dieses hinzu und streut etwas Käse darüber. Alles abdecken und ein paar Minuten ruhen lassen.